GAC Aion UT

GAC Aion UT Was kann der Chinese, auch auf der Autobahn?

8:06 Min.

Der kompakte GAC Aion UT im ersten Fahrbericht.

1997 wurde der chinesische Staatskonzern GAC (Guangzhou Automobile Corporation) gegründet. Seitdem wurden nicht nur Entwicklungsbüros in den USA (Los Angeles) und Europa (Mailand, Italien) mit Design-Abteilungen gegründet, sondern auch drei Marken für den Heimatmarkt und weitere asiatische Länder lanciert: Trumpchi verkauft Verbrenner-Modele, Aion Elektroautos der Kompakt- und Mittelklasse, Hyptec soll die Elektro-Premiummärkte erschließen. Dazu kommen lokale Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures mit Toyota und China).

Keine Fehler für Europa

Weniger rasant scheint die Entwicklung von GAC beim Export nach Europa voranzuschreiten. 2024 konnten wir erstmals das SUV Aion V fahren, Anfang 2025 in China weitere Modelle. Beide Male haben wir mit dem Management die Europapläne diskutiert, konkrete Informationen gab es aber noch nicht. Das behutsame Vorgehen hat einen Grund. Man will Fehler vermeiden, die einige Mitbewerber gemacht haben. GAC will also mit auf europäische Straßen und Vorlieben abgestimmte Autos an den Start bringen und auch bei Vertrieb und Service punkten. Es ist ein Netz von Händlerstützpunkten mit angeschlossenen Werkstätten zu erwarten. Zuerst will man in Norwegen, Polen und Portugal mit dem Verkauf starten, später auch in anderen europäischen Ländern wie Deutschland. Dabei soll GAC als Marke präsent sein, Aion die Modelllinie beschreiben.

Für uns war es an der Zeit, mehr zu erleben. Dabei gehen wir direkt über „Los“: Noch vor dem Marktstart des Aion V konnten wir uns ein Vorserienauto des kompakten Aion UT organisieren, um damit ausgiebige Testfahrten auf Landstraßen, im Stadtverkehr und auf Autobahnen zu unternehmen.

Test mit Autobahn

Wir konnten bereits erste Testkilometer auf deutschen Straßen sammeln.

Der weiße GAC Aion UT entspricht dabei in Sachen Fahrwerksabstimmung bereits dem künftigen Europa-Modell, unterscheidet sich als vom Exemplar für den ersten Fahrbericht aus China . Unter der vorderen Haube steckt ein Elektromotor mit 150 kW (204 PS) Leistung. Er treibt den Kompakten ausreichend kräftig, dabei aber nie stürmisch voran. Das dürfte den Ansprüchen der meisten Kunden gerecht werden, die einen zuverlässigen Alltagsbegleiter anstelle eines verkappten Sportlers wünschen.

Die Abstimmung des Fahrwerks gefällt mit ihrem Kompromiss aus hohem Komfort und Rückmeldung vom Straßenbelag. Die Karosserie schwingt auch bei langen Wellen kaum nach. Lediglich die starke Seitenneigung in schnellen Kurven dürfte gerne geringer ausfallen. Sie wirkt aber dramatischer, als es ist. Der Fronttriebler wird, zumindest auf trockener Straße, nicht zickig und kündigt das bauartbedingte Untersteuern rechtzeitig an. Beim starken Beschleunigen und gleichzeitigen Einlenken, beispielsweise beim Abbiegen auf eine Hauptverkehrsstraße, hört man ein Wimmern der Vorderreifen. Das könnte auch an der Gummimischung der montierten Chaoyangs liegen. Die Traktionskontrolle muss zumindest nicht eingreifen. Ein Test im Regen oder bei winterlichen Bedingungen steht noch aus. Im Vergleich zur China-Version wurde auch bei der Lenkung nachgearbeitet. Sie wirkt jetzt verbindlicher, weniger weich.

Auch auf der Autobahn macht der GAC Aion UT eine gute Figur. Antriebs- und Abrollgeräusche sind auch hier nicht vernehmbar, über 120 km/h zischelt jedoch der Wind verstärkt um A-Säulen und Außenspiegel. Mit einem doppelten Zug am rechten Lenkstockhebel lässt sich die Fahrassistenz zum Dienst rufen. Die Software kümmert sich zuverlässig um das konstante Tempo und den Abstand zum Vordermann, zudem bleibt der Chinese mittig in der Fahrspur. Das funktioniert besser als der reine Spurhalteassistent ohne gleichzeitig aktivierter Geschwindigkeitsregelanlage. Er startet erst bei Kontakt der Reifen mit der Begrenzungslinie zum Gegenlenkung bei gleichzeitiger Warnung des Fahrers.

Über (zu) kleine Felder auf dem zentralen Touchscreen-Display kann man aus drei Fahrmodi wählen, wobei man im Normal-Modus meist prima unterwegs ist. Die Eco-Einstellung ist immerhin sehr konsequent. Sie beschränkt die Höchstgeschwindigkeit auf 90 km/h und regelt die Leistung der Einzonen-Klimaautomatik herunter – „Eco“ ist also eher eine willkommene Einstellung bei der Suche nach einer Ladestation mit fast leerem Akku.

60 Kilowattstunden fasst der LFP-Stromspeicher (Lithium-Eisenphosphat) des GAC Aion UT. Nach chinesischer CLTC-Norm soll man damit 500 Kilometer weit kommen. Nach WLTP-Messmethode könnten etwa 430 Kilometer daraus werden. Am Ende unserer Testfahrten meldet der Bordcomputer einen Verbrauch von 14 kWh/100 km. Ein passabler Wert, da auch nicht ständig in die höhere von zwei Stufen der Energie-Rekuperation umgeschaltet wurde. Warum nicht? Das Herumklicken und Scrollen durch Menüebenen auf dem Touchscreen, ich wiederhole mich…

Viel Platz im Aion UT

Nicht nur bei ganz zurückgefahrenen Lehnen der Vordersitze kann man es im kompakten Chinesen gut aushalten.

Hinter dem nur in der Höhe verstellbaren Zweispeichenlenkrad sitzt man bequem auf einem großen Möbelstück mit elektrischer Einstellmöglichkeit. Alle fahrrelevanten Anzeigen sind auf einem 8,8 Zoll großen Display im direkten Blickfeld einsehbar. Zumindest das Vorserienauto lässt hier jedoch kaum Varianz bei den Anzeigen zu. Eine Vielzahl von gut zugänglichen Ablagen in der Mittelkonsole und auch in Form eines Handschuhfachs erleichtern den Alltag an Bord. Geräumig ist der Aion UT mit seinen 2,75 Metern Radstand auch im Fond. Im Vergleich zum Mitbewerber VW ID.3 (und anderen MEB-Derivaten aus dem Volkswagen-Konzern) muss man hier als großer Passagier die Beine über dem Akku im Fahrzeugboden weniger stark anwinkeln. Das erhöht den Sitzkomfort, vor allem auf langen Strecken. Hinter der geteilt umklappbaren Lehne wartet ein, den Werksangaben zufolge, 440 Liter großer Kofferraum mit doppeltem Ladeboden auf Gepäck oder Einkäufe.

Die Verarbeitung und die Materialqualität im Innenraum machen einen guten Eindruck. Die Kunstlederbezüge, im Testwagen roséfarben, wechseln sich mit textilen Einsätzen ab. Die Isofix-Bügel auf den Außenplätzen in der zweiten Reihe sind hinter Laschen gut erreichbar.

Die Anbindung eines Smartphones über die Bluetooth-Verbindung mit dem Infotainment-System funktioniert schnell und zuverlässig. Auch Apple CarPlay kann genutzt werden, voraussichtlich jedoch nicht kabellos (aufgrund des Vorserienstatus des Testwagens sind wir hier noch unsicher). Das Telefon kann während der Fahrt in einer Ablage mit Kühlfunktion induktiv geladen werden.

Klares Kompakt-Design

Die schnörkellose Linienführung des Aion UT fällt positiv auf - auch im Straßenverkehr.

Die 4,27 Meter lange, 1,85 Meter breite und 1,58 Meter hohe Karosserie des GAC Aion UT trägt ein Design, das im firmeneigenen Kreativstudio in Mailand gezeichnet wurde. Inspirationen vom VW ID.3 sind unverkennbar, wenngleich der Chinese trotz dieser Stilmittel keinesfalls plump auftritt. Bei unseren Fahrten wurden überraschend viele Hälse gereckt und Köpfe verdreht. Die Gestaltung mit den „Augenbrauen“-Scheinwerfern scheint anzukommen. Klare Linien und Flächen bestimmen das Design, nirgends sind unnötige Sicken zu sehen. Da wird die in Wagenfarbe lackierte Fläche in der C-Säule fast schon zum Paradiesvogel. Der GAC Aion UT tritt selbstbewusst auf, bleibt gleichzeitig zurückhaltend und wirkt sympathisch.

Wird der Preis passen?

Die Bedienung läuft fast vollständig über das 14,6 Zoll große Touchscreen-Display auf der Mittelkonsole.

Diesen Vorschuss sollte er sich nicht bei den Preisen verspielen. Noch gibt es keine Informationen zum Verkaufsstart, der Vertriebsstruktur und der Kalkulation des Modells. Im äußeren Format ist der Aion UT ein kleiner Kompakter, bietet innen aber mehr Raum als Mitbewerber in Form von Opel Astra, DS4 oder Peugeot e-308.

Wenn GAC es schafft, den Fünftürer mit 60 kWh großem Akku und der hier gezeigten Serienausstattung (bei der man für Europa die die vorhandene Sitzlüftung gegen einer nicht eingebaute Sitzheizung austauschen könnte) für maximal 27.000 Euro anzubieten und gleichzeitig ein umfassendes Garantiepaket mitschickt, dann könnten sich Marke und Modell bei uns etablieren. Bei diesem Vorhaben dürfte dem Aion UT gewiss eine wichtigere Rolle zuteilwerden, als dem Aion V, der als SUV in einem überfüllten Marktsegment auf Kundenfang gehen soll.

Fazit

Die neue Abstimmung des Aion UT für den europäsichen Markt wirkt gelungen.

GAC hat die Zeit seit unserem ersten Kennenlernen genutzt, um den kompakten Aion UT auf europäische Verhältnisse abzustimmen. Dabei haben die Techniker einen guten Job gemacht. Fahrwerksabstimmung und Lenkung machen den Chinesen zum entspannten Alltagsbegleiter. Dazu kommen das gute Raumangebot und ein effizienter Antrieb – zumindest den Angaben des Bordcomputers zufolge.

In Deutschland dürften Marke und Modell wohl nicht vor 2027 an den Start gehen. Wenn Händlernetz, Preise und Garantiepaket stimmen, dann kann der Aion UT ein ernstzunehmender Player im Segment der kompakten Elektroautos werden.

Technische Daten
GAC Aion UT (Vorläufige Daten)

Antriebsart
Elektro
Antrieb
Frontantrieb
Getriebe
Eingang-Reduktionsgetriebe
Elektromotor: Maximale Leistung kW
150 kW (204 PS)
Batterie
60 kWh
Batterie: Typ
LFP (Lithium-Eisenphosphat)
Beschleunigung 0-100 km/h
7,3 Sekunden
Verbrauch real auf 100km
14,0 kWh (lt. Bordcomputer)
Kofferraumvolumen
440 - 1.600 Liter
Reifenmarke und –format des Testwagens
Chaoyang SU318a 215/55 R17
Länge / Breite / Höhe
4.270 / 1.850 / 1.575 mm
Text: Bernd Conrad
Bilder: Matthias Gill, Bernd Conrad