Der Renault Scenic zeigt im Langzeit-Test was er kann und was nicht.
Im Frühjahr 2024 feierte der Renault Scenic E-Tech einen vielbeachteten Marktstart. Das lag nicht nur am großen Namen, der ab 1996 einen der Kompaktvan-Pioniere zierte, sondern auch an den Vorschusslorbeeren. Der Franzose wurde direkt zum europäischen „Auto des Jahres“ gewählt. Auf einer Plattform für kompakte Elektroautos, früher als CMF-EV bekannt und jetzt mit dem Namen AmpR Medium versehen, teilt er sich die Technik mit dem Renault Megane und sowie Modellen Ariya und Leaf von Allianzpartner Nissan. Auf Basis des Renault Scenic startet zudem im Herbst 2025 der vollelektrische Nachfolger des Mitsubishi Eclipse Cross.
Bedingt familientauglich
Aus der einstigen Van-Idee ist schon beim letzten Verbrenner-Scenic ein weniger gut durchschaubares Crossover-Konzept geworden, das u.a. auf verschiebbare Rücksitze und damit auf das letzte Quäntchen Variabilität verzichtet. Der Scenic E-Tech will mit seiner 4,47 Meter langen Karosserie vor allem im Segment der Kompakt-SUV wildern. Zu den Mitbewerbern zählen u.a. Skoda Enyaq, Peugeot 3008 und VW ID.4.
Die Werksangaben zum Kofferraumvolumen lesen sich vielversprechend. 545 Liter passen ins Heck, nach dem Umklappen der geteilten Rücksitzlehne kann man das Ladeabteil auf 1.670 Liter erweitern. Im Alltag stoßen aber Familien schnell an ihre Grenzen. Mit Gepäck, Spielzeug und (Falt-) Kinderwagen ist der Raum im Heck des Scenic schneller gefüllt, als es die reine Liter-Zahl erwarten lässt. Die Variabilität wird zudem durch eine Kante bei vorgeklappter Fondlehne reduziert. Besser ist es um das Platzangebot für Menschen bestellt. In beiden Reihen bietet der Groß-Kompakte sehr gute Raumverhältnisse. Große Fahrer klagen jedoch aufgrund der flachen Sitzfläche ohne Möglichkeit zur Neigungseinstellung schnell über müde Beine. Auch der kurze Fußraum bedingt stark angewinkelte Beine, der Oberschenkel liegt somit nicht auf dem Sitz aus. Von rechts drückt zudem der kleine Balkon mit induktiver Smartphone-Ladeablage im Cockpit gegen das Knie.
Der 100-Tage-Test im Video
Die Infotainment-Ausstattung setzt, das ist bei Renault mittlerweile gelernt, auf Google-Software für Betriebssystem und Anwendungen. Auch im Scenic erleichtert das die Bedienung. Google Maps liefert die Navigation und findet auch Ladepunkte. Über den Play Store kann man Apps, beispielsweise die von Streamingdiensten, herunterladen. Alternativ lassen sich Inhalte des eigenen Smartphones ohne Kabelverbindung über Apple CarPlay oder Android Auto nutzen.
Im Rahmen unseres 100-Tage-Tests wurde der Testwagen rund 5.000 Kilometer gefahren. Wir hatten also ausreichend Gelegenheit, den Scenic auf Autobahn-Langstrecken, im Überlandverkehr und innerstädtisch zu testen. Stets gefällt der hohe Fahrkomfort. Trotz der großen 19-Zoll-Felgen schlagen Verwerfungen im Asphalt nicht ungehobelt nach innen durch. Dafür dringt, vor allem im Schubbetrieb oder bei der Nutzung der Energie-Rekuperation, ein Sirr-Geräusch vom Elektroantrieb ans Ohr. Auch beim starken Beschleunigen ist der Motor, der die Vorderräder antreibt, alles andere als lautlos.
Im typischen Pendlerverkehr bewegt sich der Stromverbrauch der fremderregten Synchronmaschine, die eine Peak-Leistung von 160 kW (218 PS) und eine Nennleisten (über 30 Minuten) von 55 kW (75 PS) bereitstellt, bei 16,1 kWh je 100 Kilometer. Damit bewegt man sich unter dem WLTP-Normwert von 17,5 kWh. Die versprochene Reichweite von 600 Kilometern erscheint nicht illusorisch. Im Test-Alltag, zu dem auch Autobahnfahrten gehörten (Verbrauch dort auf der Langstrecke rund 19 kWh / 100 km), bewegt sich der Verbrauch im Norm-Niveau – nach knapp 500 Kilometern wurde spätestens eine Ladesäule angesteuert.
Hier klettert die Leistung bei einer Stromversorgung über den CCS-Anschluss auf bis bis zu 145 kW. Das Datenblatt verspricht 150 kW. Von sechs auf 80% der Akku-Kapazität ging es, bei einer Außentemperatur von 23 Grad, in 39 Minuten. Wer häufig im urbanen Raum unterwegs ist, der freut sich über den optionalen 22-kW-Onboard-Charger. An entsprechenden Ladesäulen oder einer Wallbox mit kann man damit in überschaubarer Zeit Energie nachfassen. In rund vier Stunden ist der Akku wieder voll, die Gefahr von Blockiergebühren ist gebannt.
Das kostet der Scenic

Vom Basispreis der Scenic-Baureihe, der mit kleinem 60-kWh-Akku bei 40.400 Euro liegt, ist der Testwagen weit entfernt. Das Batteriepaket mit 87 kWh Speicherkapazität, die umfangreiche Esprit-Alpine-Ausstattung und weitere Extras wie die Zweifarblackierung mit Mattlack (der recht kratzerempfindlich und damit keine Kaufempfehlung ist), Harman/Kardon-Soundsystem und Assistenzpaket, lässt den Listenpreis auf üppige 58.050 Euro steigen.
Die dürften in den meisten Familien-Budgets nicht spontan abrufbar sein, was den Fokus auf das Leasing lenkt. Dabei empfiehlt sich, aufgrund der Gefahr von Nachzahlungen für Lackschäden bei der Rückgabe, der Verzicht auf „Dolomit Grau“.
Fazit

Der Renault Scenic ist ein Elektroauto, das vor allem mit seiner Effizienz punktet. In Verbindung mit dem großen Akku und dem optionalen 22-kW-Ladegerät wird der Alltag auch im urbanen Verkehr ohne das Ansteuern von Schnellladern erleichtert.
Das Raumangebot für Fahrer und Passagiere ist gut. Eine etwas längere Karosserie hätte dem Scenic aber einen größeren und besser nutzbaren Kofferraum und auch eine stärkere Abrgrenzung vom kompakten Megane beschert. Alle Informationen im Detail gibt es im ausführlichen Video zu diesem AUTONOTIZEN-Langzeittest.
Technische Daten
Renault Scenic Esprit Alpine 220 Long Range
- Antriebsart
- Elektro
- Antrieb
- Frontantrieb
- Getriebe
- Eingang-Reduktionsgetriebe
- Elektromotor: Maximale Leistung kW
- 160 kW (218 PS)
- Elektromotor: Nennleistung KW
- 55 kW (75 PS)
- Elektromotor: Maximales Drehmoment
- 300 Nm
- Batterie
- 87 kWh
- Batterie: Typ
- Lithium-Ionen
- Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC)
- 150 kW
- Ladeleistung Gleichstrom (DC) im Test
- 22 kW (dreiphasig)
- Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC)
- 145 kW im Peak
- Ladeleistung Wechselstrom (AC) im Test
- 22 kW
- Beschleunigung 0-100 km/h
- 7,9 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit
- 170 km/h
- Norm-Verbrauch kWh / 100 km
- 17,5 kWh
- Reichweite nach Norm
- 600 km
- Reichweite im Alltag
- ca. 480 km
- Kofferraumvolumen
- 545 - 1.670 Liter
- Reifenmarke und –format des Testwagens
- Michelin e-Primacy 2 225/45 R19
- Leergewicht
- 1.927 kg
- Anhängelast (gebremst)
- 1.100 kg
- Stützlast
- 80 kg
- Dachlast
- 80 kg
- Länge / Breite / Höhe
- 4.470 / 1.864 / 1.571 mm
- Basispreis Baureihe
- 40.400 Euro
- Basispreis Modellvariante
- 50.100 Euro
- Testwagenpreis
- 58.050 Euro